Neuro- Reha nach Hüftgelenk Operation

NEURO- REHA NACH HÜFTGELENK- OPERATION

Ich habe bisher noch nie gehört, dass nach einer OP eine neuronale Reha durchgeführt wird. Meines Erachtens ein schwerer Fehler und eine vertane Chance für die Operierten.

Besonders, wenn ein Gelenk ersetzt wurde, muss das neuronal aufgearbeitet werden. In jedem Gelenk gibt es Rezeptoren, die dem Gehirn Informationen über die Position und Spannung im Gelenk liefern. Diese Rezeptoren gibt es in einer Gelenksprothese nicht. Somit fehlen dem Gehirn wichtige Informationen über Zustände und Positionen im Körper.

Außerdem kommt es während der OP zu einer Reihe schwerwiegender Eingriffe. Die Haut wird verletzt, die Muskeln auf Seite gezogen und der Knochen wird teilweise ausgehöhlt, um die Prothese darin zu verankern. Das kann dazu führen, dass die operierte Stelle vom Gehirn als „traumatisiert“ angesehen wird und künftig die Muskeln um das neue Gelenk nicht mehr sauber angesteuert werden. Es kann zu Tonus-Störungen in den Muskeln und Sensibilitätsstörungen im und um das Narbengewebe kommen. Ausweichbewegungen, eine Mehrbelastung auf der nicht operierten Seite oder anderen Gelenken sowie Fehlhaltungen können die Folge sein. Eine gute erste Maßnahme dagegen ist die mittlerweile sehr häufig angewandte Praxis, die Patienten noch am OP-Tag aufstehen zu lassen und erste Bewegungen durchzuführen.

Diese Maßnahmen können sehr gut über ein neurozentriertes Training unterstützt werden, damit die Bewegung über die Muskeln auch weiterhin sauber angesteuert wird. Beziehungsweise können Bewegungsfehler, die mit zu einer Arthrose und damit zur OP geführt haben, durch neurozentriertes Training verbessert werden. Das kann auch ohne direkte Einbeziehung des frisch operierten Gelenks geschehen. Das ist besonders angesagt, wenn die Trainierenden noch sehr vorsichtig sind und durch die OP auch Ängste vor Bewegungen entstanden sind.

Ein guter Anfang sind in aller Regel die Augen. Über die Arbeit an den Augen lassen sich Hirnnerven aktivieren, die ihrerseits beispielsweise das Cerebellum oder das Mesencephalon (Mittelhirn) aktiveren und damit die Ansteuerung der Extensorenmuskulatur verbessern, was zu einer Stabilisierung der Hüfte beiträgt. Außerdem kann über das Cerebellum wie auch über das Mittelhirn die differenzierte Ansteuerung von Gelenken verbessert werden.

Darüber hinaus sollte unbedingt die Arbeit des vestibulären Systems überprüft werden. Ein gut funktionierendes Gleichgewicht bedingt auch die Arbeit der Augen. Funktioniert das Gleichgewichtsorgan im Innenohr nicht, wird das Gehirn keine vollständig freie Bewegung zulassen.

Stimuliert werden kann das vestibuläre System über einfache Übungen wie einen Einbeinstand oder über komplexere Reize wie eine kombinierte Reizung von auditivem System und vestibulärem System mittels so genannter „Bone Conductor“-Kopfhörer, bei denen Schall in bestimmten Frequenzen über den Schädelknochen auf die Ohren übertragen wird.

Als letzten Punkt möchte ich das propriozeptive System ansprechen. Die „Tiefensensibilität“ ist eine komplexe Sinneswahrnehmung, mit welcher der Körper das Gehirn über die Position bzw. den Aktivitätszustand der Gelenke, Muskeln und Sehnen informiert (Quelle: DocCheck Flexikon).

Besonders nach einer OP und ganz besonders, wenn ein Gelenk mit all seinen Informationsgebern (Rezeptoren) ausgebaut wurde, ist eine Aufarbeitung der propriozeptiven Wahrnehmungsveränderung eine wichtige Aufgabe des Reha-Prozesses. Das kann über komplexe Übungen zur Wahrnehmung von Reizen passieren, der Unterscheidung zwischen spitzen und stumpfen Berührungen, warmen und kalten Berührungen oder der Differenzierung zwischen zwei nah beieinander liegenden Berührungspunkten.

Sind alle Systeme rehabilitiert und funktionieren, können Verspannungen, Einschränkungen von Bewegungen („Verkürzungen“), Fehlbelastungen und daraus folgende Schmerzen vermieden werden. Leider passiert es häufig, dass beispielsweise nach der ersten Hüfte binnen Jahresfrist auch die zweite Hüfte operiert werden muss, da durch eine Verschiebung von Bewegung und Belastung auf die nicht operierte Seite ein Verschleiß aufgetreten ist, der durch eine erneute OP ausgeglichen werden muss.